Zwischen den Kulturen

2016 - Peter K. Wehrli und Peter von Gunten

Zwischen den Kulturen

[Fernsehfilm 52 Min.]


Weil Thomas Mann einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller ist, halten ihn viele, als sei es selbstverständlich, für den Sohn einer Deutschen. Und viele erstaunt es zu vernehmen, dass seine Mutter eine Brasilianerin ist.

„Südlich des Äquators, unter Affen und Papageien“, ist Julia da Silva 1851 geboren worden. Um sie vor der Cholera-Epidemie zu schützen, die im Heimatstädtchen Paraty wütete, hat ihr Vater das 7jährige Mädchen nach Deutschland gebracht. In Lübeck wurde sie die Mutter von Heinrich und Thomas Mann. In Brasilien verhehlt man den Stolz nicht, dass eine Brasilianerin den Funken der Kreativität, der Kunst, in eine rein merkantil ausgerichtete Dynastie eingepflanzt habe. Der Film „Zwischen den Rassen“ untersucht, wie viel vom Wesen der Mutter, von ihrer Brasilianität, in den Werken ihrer Söhne erkennbar bleibt. Das Widerspiel von Fremdem und Vertrautem, das ihre Mutter zu bestehen hatte, klingt in Chiffren und Zeichen in den berühmten Romanen von Heinrich und Thomas Mann weiter.

 


SYNOPSIS
Thomas Manns Mutter: Julia da Silva (1851-1923) ist „Unter Affen und Papageien” aufgewachsen, wie sie selbst in ihrem Buch „Aus Dodos Kindheit“ schreibt. Der Weg nach Deutschland wurde Julia da Silva durch ihren Vater geebnet. Er war ein nach Brasilien ausgewanderter Lübecker, der auf einer Halbinsel ausserhalb des - noch immer im kolonialen Gefüge erhaltenen - Städtchens Paraty, Kaffee- und Zuckerrohr-Plantagen betrieb. Als der Vater nach dem Tod der Mutter die Tochter Julia im Alter von 7 Jahren mit ihren Geschwistern nach Deutschland brachte und alleine wieder nach Brasilien zurückkehrte, erlebte Julia, die noch kein Wort deutsch sprach, den verunsichernden Kulturschock. Thomas Mann schildert die Erfahrung des Ausgesetztseins so: „Meine Mutter stammte aus Rio de Janeiro, hatte aber einen deutschen Vater, so dass zum vierten Teil unser Blut mit lateinamerikanischem gemischt ist. Uns Kindern erzählte sie von der paradiesischen Schönheit der Bucht von Rio, von Giftschlangen, die sich auf der Pflanzung ihres Vaters zeigten und von Negersklaven mit Stöcken erschlagen wurden. Mit sieben Jahren fand sie sich nach Lübeck verpflanzt, - den ersten Schnee, den sie sah, hielt sie für Zucker.
Der kulturelle Gegensatz zwischen dem exotischen Brasilien ihrer ersten Kindheitsjahre und ihrer in Europa anschliessend verbrachten Jugend ist der Motor der Julias Leben bis zu ihrem Tod (1925) antreibt und spaltet. Das Unstete des Hin- und Hergerissenseins prägt viele ihrer Erfahrungen. Dies nicht nur in Ihren Kindheits- und Jugendjahren, sondern auch noch nach dem Tod ihres Mannes, als sie vom Stadtrat von Lübeck entmündigt und ihr brasilianischer Frohmut als „Verlotterung” angekreidet wurde.
Im Spannungsfeld „Zwischen den Kulturen”, das ihre autobiografischen Notizen umreisst, untersucht der Film die „Brasilianität“, die Julia mit sich nach Europe rettet, wie auch ihren „brasilianischen” Einfluss auf ihre Kinder. Die Sehnsucht nach ihrer südlichen Kindheit weckte eine Melancholie in ihr und gleichzeitig den Wunsch oder den Zwang dieser Wehmut mit „ausschweifendem” Leben in ihren späteren Lebensjahren zu entrinnen.- In diesem Widerspiel der Gegensätze zeigt der Film einen Menschen, der sich nie ganz aus seinem Kindheitstrauma des frühen Verlusts der Mutter und einem verunsicherten Leben „zwischen den Kulturen” befreien konnte. Das inhaltliche Motiv „Zwischen den Kulturen” wird wichtiges formales Bild- Gestaltungselement des Filmes sein.

Im Schicksal von Julia Mann finden sie modellhafte Gemeinsamkeiten von Fragen der Migration, Integration und Entwurzelung im Widerstreit der Kulturen, die sie persönlich beschäftigen und die auch heute viele Menschen betreffen. In diesem Spannungsfeld wollen sie einen Film realisieren, der inhaltlich wie auch in Bild und Ton auf dieses Widerspiel eingeht und daraus seine unverwechselbare visuelle Handschrift bezieht.
Ein Film also, der Julia Manns Leben im Hin und Her zwischen zwei Kulturen erlebbar machen will, ein Einzelschicksal das sich in der heutigen Realität täglich wiederholt.

 

 
CREDITS

Autor/Regie: Peter K. Wehrli
Regie/Kamera/Autor: Peter von Gunten
Kamera-Assistenz: Esra Thormann
Ton: Thomas Keller

Ausstattung: Kathrin Brunner & Silvia Thomann

Maske: Roland Fahm
Kostüme: Sybille Welti

Aufnahmeleitung Paraty: Sabina Wenzel
Produktionsleitung: Claus Ruegner

Montage: Rainer M. Trinkler
Sound Design/Mischung: Jürg von Allmen
Farbkorrektur: Peter Guyer

Produzent: Peter Spoerri

Eine Produktion von: PS Film GmbH in Koproduktion mit SRF

mit der Unterstützung von:
SRG SSR Succès passage antenne
Berner Filmförderung
Teleproduktions Fonds
Göhner Stiftung
Markant Stiftung