2002 - Norbert Wiedmer
Bruno Ganz.Behind me
[Kinofilm 85 Min.]
Berner Filmpreis 2002
Drei Jahre unterwegs mit dem Schauspieler Bruno Ganz. Er spielt an verschiedenen Orten in verschiedenen Rollen. Er spielt aber auch Bruno Ganz, filmt und inszeniert dabei Freunde.
Immer wieder arbeitet er an der Rolle des Dr. Faust, jener Theaterfigur die – selbstredend für uns alle – verzweifelt zu ergründen sucht, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Tausend Tage auf der Suche nach der eigenen Bestimmung, mit dem Zweifel als einzigem Weggefährten und in der Hoffnung auf die schaffende Kraft der Poesie.
ANMERKUNGEN
Bruno Ganz ist einer der wichtigsten deutschsprachigen Schauspieler. Neben vielen weiteren Auszeichnungen erhielt er 1996 den Iffland-Ring, der dem „jeweils bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters auf Lebenszeit verliehen“ wird. Theodor Döring, Friedrich Haase, Albert Bassermann, Werner Krauss und Josef Meinrad sind die Vorgänger von Bruno Ganz. Der grosse Wiener Volksschauspieler Meinrad ist 1996 gestorben und hat den Ring an Bruno Ganz weitergegeben.
Obschon er „lieber gestreichelt als geschlagen wird“, können Auszeichnungen seinen unprätentiösen Lebensstil nicht berühren. Bruno Ganz lebt fast versteckt am Ort seiner Herkunft, ganz oben in einem Mehrfamilienhaus, in Sichtweite des Elterngrabs, in Hörweite des Flughafens Zürich und mit Venedig als Fluchtpunkt und Sehnsucht.
Die Schweiz ist nun mal alles andere als ein Land von Dichtern und Denkern und auch kein Land von Darstellern. Und trotzdem ist der gegenwärtige Träger des Iffland-Ringes ein Schweizer. Ob Bruno Ganz im Ausland als Schweizer wahrgenommen wird, weiss ich nicht. Ich frage mich aber, ob die Schweizer Bruno Ganz als einen der wichtigsten und ausgezeichnetsten deutschsprachigen Schauspieler der Gegenwart kennen. Vielleicht sind es ja gerade die Widerstände in einem so wenig verspielten Land wie der Schweiz, die aus einem grossen Talent, wenn es sich denn durchsetzt, einen grossen Künstler machen. Mit meinem Film möchte ich ins Bewusstsein rücken, dass unser Land einen grossen Schauspieler hervorgebracht hat.
Die ironische Grundhaltung wie in meinen „vaterländischen“ Filmen führt ei-nen dazu, sich an den Disparitäten der menschlichen Natur zu erfreuen. Man misstraut grossen Berufungen und sucht nach den weniger edlen Motiven dahinter. Die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, das ist der Spielraum des Ironikers, und er neigt dazu, ihn zu erfinden, wenn er diesen nicht vorfindet. Die Ironie ist es auch, die einen vor Wahrheit und Schönheit, aber auch vor dem Pathos der Tragik die Augen verschliessen lässt, weil diese kein Stoff für das Lächerliche abgeben. Der Ironiker hat ein gutes Auge für den falschen Schein, erkennt aber nicht immer wahre Grösse.
Wie aber nähert man sich einem Grossen? In den drei Jahren der filmischen Gemeinsamkeit wollte ich dem Menschen und gefeierten Schauspieler Bruno Ganz ohne Pathos, aber auch ohne Ironie nahe kommen. Was ich an Persönlichem über ihn aus Zeitungen und Zeitschriften wusste, wollte ich möglichst vergessen, weil ich weiss, dass sich kaum etwas so hartnäckig hält wie medial verbreitete Vorurteile, egal ob sie nun einmal etwas an sich hatten oder nicht.